Steckbrief
Die Kinderlähmung (Poliomyelitis, kurz: Polio) ist eine Viruserkrankung, die mit einer plötzlich auftretenden, schlaffen Lähmung einer oder mehrerer Gliedmaßen einhergeht. Betroffen sind hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren. Auch wenn eine Heilung derzeit nicht möglich ist, kann die Impfung gegen Polio einer Infektion vorbeugen. Was Sie noch über Kinderlähmung und Polio-Impfung wissen sollten, lesen Sie hier!
- Poliomyelitis – was ist das?
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Die Kinderlähmung (Poliomyelitis) ist eine hochansteckende Erkrankung, die durch eine Infektion mit Polioviren verursacht wird. Dabei handelt es sich um akute schlaffe Lähmungen in einer oder mehreren Extremitäten. Poliovirus Typ 1 ist der einzige noch kursierende Wildvirustyp. Er kommt noch in Pakistan und Afghanistan vor.
Neben der Erkrankung durch das Polio-Wildvirus kann es vereinzelt auch zu Ausbrüchen durch mutierte Impfviren kommen, vor allem bei Reisen in Regionen mit Infektionsrisiko. Dies betrifft insbesondere Länder, in denen die Bevölkerung aufgrund zu niedriger Polio-Impfquoten nicht ausreichend geschützt ist, wie z. B. die Ukraine, Nigeria, Madagaskar und Pakistan.
- Verbreitung und Ansteckung
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Wie verbreitet ist Polio und wer ist betroffen?
Die Kinderlähmung betrifft hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren. Seit 1988 ist die Zahl der Infektionen mit den natürlich vorkommenden Polioviren um über 99 % zurückgegangen. Durch Impfprogramme konnten bereits 2 der 3 natürlich vorkommenden Polio-Typen ausgerottet werden. In der WHO-Region „of the Americas“ wurde 1994 für polio-frei erklärt, 2000 folgte die westpazifische Region, 2002 Europa und 2014 der südostasiatische Raum. Heute leben etwa 80 % der Weltbevölkerung in poliofreien Regionen. Aktuell kursieren natürlich vorkommende Polioviren nur noch in Afghanistan und Pakistan. Im Jahr 2019 wurden weltweit 88 Polio-Fälle gemeldet (Stand 15.10.2019). Damit ist die Zahl im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegen (2017: 22 gemeldete Fälle; 2018: 33 gemeldete Fälle).
Auch wenn die Poliomyelitis in Deutschland seit vielen Jahren nicht mehr vorgekommen ist, können Polioviren von außen eingeschleppt werden, z. B. durch Migrationsbewegungen oder den internationalen Reiseverkehr. So verzeichnen Nigeria, Niger, Kamerun, Benin, Ghana, Angola und die Demokratische Republik Kongo aktuell eine Zunahme von Polioausbrüchen durch Impfviren, der dort eingesetzten Schluckimpfung. Ob an Ihrem Reiseziel ein erhöhtes Infektionsrisiko für Poliomyelitis besteht, erfahren Sie auf den Internetseiten des Auswärtigen Amts.
Wie wird der Erreger übertragen?
Polioviren werden für gewöhnlich von Mensch zu Mensch übertragen. Nach der Infektion vermehrt sich das Poliovirus zunächst in den Schleimhäuten des Rachenraums (Rachenepithelien) und dann in sehr großem Ausmaß im Darm (Darmepithelien). Deshalb erfolgt die Ansteckung meistens auf fäkal-oralem Weg. Allerdings ist die Übertragung durch Tröpfcheninfektion ebenfalls möglich, z. B. durch Anhusten. Seltener hingegen erfolgt die Übertragung durch verseuchtes Wasser oder Nahrungsmittel.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
So lange Polioviren ausgeschieden werden ist die Infektionskrankheit auch ansteckend. Im Rachen kann das Poliovirus frühestens 36 Stunden nach der Infektion nachgewiesen werden. Dort kann es bis zu einer Woche verbleiben. Die Ausscheidung von Polioviren im Stuhl beginnt 2 - 3 Tage nach der Infektion und kann bis zu 6 Wochen anhalten. Die höchste Gefahr der Ansteckung besteht 7 – 10 Tage vor und nach dem Auftreten von Symptomen.
- Symptome
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Wie äußert sich die Kinderlähmung?
Über 95 % der Infektionen verlaufen ohne erkennbare Beschwerden. Treten Symptome auf, zählen Fieber, Abgeschlagenheit (Fatigue), Kopfschmerzen, Erbrechen, Nackensteifigkeit und Gliederschmerzen häufig zu den ersten Symptomen. Dabei führt etwa 1 von 200 Infektionen zu einer bleibenden (irreversiblen) Lähmung. Etwa 5 – 10 % der an Polio Erkrankten versterben aufgrund einer Lähmung der Atemmuskulatur.
- Behandlung
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Wie kann die Poliomyelitis behandelt werden?
Aktuell gibt es keine Möglichkeit die Poliomyelitis zu heilen. Allerdings kann die Impfung gegen Polio den Folgen einer Polio-Infektion vorbeugen. Für eine vollständige Impfung sind mehrere Teilimpfungen nötig. In welchem Alter eine Impfung gegen Poliomyelitis stattfinden sollte und wann eine Auffrischung des Impfschutzes empfohlen ist, erfahren Sie hier.
- Fakten
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Fakten zu Polio-Infektionen
- Seit 1988 ist die Zahl der Infektionen mit den natürlich vorkommenden Polioviren um über 99 % zurückgegangen.
- Heute leben etwa 80 % der Weltbevölkerung in poliofreien Regionen.
- In Deutschland wurde seit 1990 kein Fall der Kinderlähmung durch Polio-Wildviren verzeichnet.
- Die meisten Infektionen werden auf fäkal-oralem Weg übertragen.
- Betrifft hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren.
- Etwa jede 200. Infektion führt zu einer bleibenden Lähmung.
- Der bundesweite Anteil an Kindern ohne Poliomyelitis-Impfung ist nach dem Jahr 2014 leicht aber kontinuierlich gestiegen.
- Impfung
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Wie wird gegen Poliomyelitis geimpft?
Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Keuchhusten für alle Säuglinge, Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Häufig wird für die Grundimmunisierung ein Kombinationsimpfstoff verwendet, der zusätzlich zu Keuchhusten auch gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung, Hepatitis B, und Haemophilus influenzae Typ B gerichtet ist. Für die Grundimmunisierung im Säuglingsalter sind 3 Impfungen nötig.
- Die 1. Impfung findet im Alter von 2 Monaten statt.
- Die 2. Impfung bekommen Säuglinge im Alter von 4 Monaten. Die Früherkennungsuntersuchung U4 ist eine gute Gelegenheit hierfür.
- Im Abstand von mindestens 6 Monaten erfolgt die 3. Impfung im Alter von 11 Monaten. Es bietet sich an den Termin für diese Impfung mit der Früherkennungsuntersuchung U6 zu verbinden.
- Frühgeborene Säuglinge bekommen insgesamt 4 Impfungen im Alter von 2, 3, 4 und 11 Monaten.
Jugendlichen wird zudem eine Auffrischung der Impfung im Alter von 9 – 16 Jahren empfohlen. Weitere routinemäßige Auffrischungen sind für Erwachsene in Deutschland nicht empfohlen. Allerdings werden fehlende Impfungen der Grundimmunisierung bzw. eine fehlende Auffrischimpfung nachgeholt.
Was ist bei Reisen zu beachten?
Planen Sie eine Reise in eine Region mit einem erhöhten Infektionsrisiko durch Polio-Wildviren oder mutierte Impfviren, ist Folgendes zu beachten:
- Liegt die Grundimmunisierung mehr als 10 Jahre zurück sollte die Polio-Impfung aufgefrischt werden.
- Fehlende oder nicht-dokumentierte Polio-Impfungen sollen nachgeholt werden.
- Liegt kein Nachweis für eine Grundimmunisierung vor, z. B. der Impfpass, so empfiehlt die STIKO vor Reisebeginn mindestens 2 Polio-Impfungen im Abstand von 4 Wochen.
- Für bestimmte Länder können zeitweilig, verschärfte Empfehlungen zur Reiseimpfung bestehen. Ob dies für Ihr Reiseziel zutrifft, erfahren Sie auf den Internetseiten des Auswärtigen Amts.
Diese Empfehlungen gelten auch bei der Einreise aus Gebieten mit Infektionsrisiko für Aussiedler, Geflüchtete und Asylsuchende, die in Gemeinschaftsunterkünften leben.
Das sollten Berufstätige beachten!
Sie sind tätig in Gemeinschaftseinrichtungen, als medizinisches Personal mit engem Kontakt zu Erkrankten oder arbeiten im Labor? Dann empfiehlt die STIKO, dass fehlende Impfungen der Grundimmunisierung nachgeholt werden sollen, sofern ein Polio-Infektionsrisiko besteht. Bei anhaltender Exposition sollte alle 10 Jahre eine Auffrischung Ihres Impfschutzes erfolgen.
Schluckimpfung oder Spritze – welcher Impfstoff wird verwendet?
Seit 1998 erfolgt die Polio-Impfung in Deutschland nur noch mit Impfstoffen auf Basis abgetöteter Polioviren (Totimpfstoffe), die die Erkrankung selbst nicht auslösen können. Zuvor gab es vereinzelt Berichte über Fälle von Poliomyelitis nach Verwendung des Polio-Lebendimpfstoffs, der zur Schluckimpfung eingesetzt wurde. Letztere wird heute in Deutschland nicht mehr durchgeführt. Die Impfung gegen Polio erfolgt hierzulande nur noch als Spritze.