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Kinderlähmung

Kinderlähmung

Die Kinderlähmung (Poliomyelitis, kurz: Polio) ist eine Viruserkrankung, die zumeist Kinder unter 5 Jahren betrifft. Charakteristisch sind plötzlich auftretende, schlaffe Lähmungserscheinungen. Erfahren Sie hier mehr über die Erkrankung und die vorbeugende Impfung!

Fakten zu Poliovirus-Infektionen

  • Seit 1988 ist die Zahl der Infektionen mit den natürlich vorkommenden Polioviren um über 99 % zurückgegangen.
  • In Deutschland wurde seit 1990 kein Fall der Kinderlähmung durch Polio-Wildviren verzeichnet.
  • Die meisten Infektionen werden auf fäkal-oralem Weg übertragen.
  • Kinderlähmung betrifft hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren.
  • Etwa jede 200. Infektion führt zu einer bleibenden Lähmung.
  • Der bundesweite Anteil an Kindern ohne vollständige Poliomyelitis-Impfung ist in den letzten Jahren gestiegen.

Die Kinderlähmung (Poliomyelitis) ist eine hochansteckende Erkrankung, die durch eine Infektion mit Polioviren verursacht wird. Dabei handelt es sich um akute schlaffe Lähmungen in einer oder mehreren Extremitäten. Poliovirus Typ 1 ist der einzige noch kursierende Wildvirustyp. Er kommt in Pakistan, Afghanistan und Mosambik vor.

Neben der Erkrankung durch das Polio-Wildvirus kann es vereinzelt auch zu Ausbrüchen durch mutierte Impfvirenkommen, vor allem bei Reisen in Regionen mit Infektionsrisiko. Dies betrifft insbesondere Länder, in denen die Bevölkerung aufgrund zu niedriger Polio-Impfquoten nicht ausreichend geschützt ist, wie z.B. die Ukraine, Polen und Rumänien.

Wie verbreitet ist Polio und wer ist betroffen? 

Die Kinderlähmung betrifft hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren. Seit 1988 ist die Zahl der Infektionen mit den natürlich vorkommenden Polioviren um über 99 % zurückgegangen. Es konnten bereits 2 der 3 natürlich vorkommenden Polio-Typen ausgerottet werden.Die WHO-Region „Region of the Americas“ (AMR) wurde 1994 für polio-frei erklärt, 2000 folgte die westpazifische Region (WPR), 2002 Europa (EUR) und 2014 der südostasiatische Raum (SEAR).Als 5. Region wurde Afrika (AFR) im Jahr 2020 für polio-frei erklärt. Lediglich die Region des Nahen Ostens (EMR) ist noch nicht offiziell frei von Polio-Wildviren. Aktuell kursieren natürlich vorkommende Polioviren nur noch in Mosambik, Pakistan und Afghanistan. Im Jahr 2022 wurden weltweit 29 Poliowildvirus Typ 1-Fälle gemeldet (Stand 04.10.2022). Damit ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen (2021: 6 gemeldete Fälle; 2020: 140 gemeldete Fälle). 

Auch wenn die Poliomyelitis in Deutschland seit vielen Jahren nicht mehr vorgekommen ist, können Polioviren von außen eingeschleppt werden, z.B. durch Migrationsbewegungen oder den internationalen Reiseverkehr. So verzeichneten die WHO-Regionen Afrika (16 Länder; n = 538 Fälle), Östliches Mittelmeer (4 Länder, n = 87 Fälle) und Europa (2 Länder; n = 34) 2021 weiterhin Polioausbrüche durch Impfviren, der früher eingesetzten Schluckimpfung. Ob an Ihrem Reiseziel ein erhöhtes Infektionsrisiko für Poliomyelitis besteht, erfahren Sie auf den Internetseiten des Auswärtigen Amts

Wie wird der Erreger übertragen? 

Polioviren werden für gewöhnlich von Mensch zu Mensch übertragen. Nach der Infektion vermehrt sich das Poliovirus zunächst in den Schleimhäuten des Rachenraums (Rachenepithelien) und dann in sehr großem Ausmaß im Darm (Darmepithelien).Deshalb erfolgt die Ansteckung meistens auf fäkal-oralem Weg. Allerdings ist die Übertragung durch sogenannte „Tröpfcheninfektion“ ebenfalls möglich, z.B. durch Anhusten. Seltener hingegen erfolgt die Übertragung durch verseuchtes Wasser oder Nahrungsmittel.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit 

Solange Polioviren ausgeschieden werden, ist die Infektionskrankheit auch ansteckend. Im Rachen kann das Poliovirus frühestens 36 Stunden nach der Infektion nachgewiesen werden. Dort kann es bis zu einer Woche verbleiben. Die Ausscheidung von Polioviren im Stuhl beginnt 2 bis 3 Tage nach der Infektion und kann bis zu 6 Wochen anhalten. Die höchste Gefahr der Ansteckung besteht 7 bis 10 Tage vor und nach dem Auftreten von Symptomen. 

Wie äußert sich die Kinderlähmung? 

Über 95 % der Infektionen verlaufen ohne erkennbare Beschwerden. Treten Symptome auf, zählen Fieber, Abgeschlagenheit (Fatigue), Kopfschmerzen, Erbrechen, Nackensteifigkeit und Gliederschmerzen häufig zu den ersten Symptomen. Dabei führt etwa 1 von 200 Infektionen zu einer bleibenden (irreversiblen) Lähmung. Etwa 5 bis 10 % der an Polio Erkrankten versterben aufgrund einer Lähmung der Atemmuskulatur. 

Welche Krankheiten können zu ähnlichen Symptomen führen? 

Kommt es zu einer akuten schlaffen Lähmung, muss eine Nervenerkrankung wie das Guillain-Barré-Syndrom ausgeschlossen werden. Anders als bei der Poliomyelitis kann sich die meist symmetrische Lähmung hierbei jedoch über einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen entwickeln. Auch fehlen oft Symptome wie Fieber, Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen. Der Verlauf einer Kinderlähmung ohne Lähmungserscheinungen kann einer Hirnhautentzündung bzw. Gehirnentzündung ähneln. 

Was passiert bei einem Verdacht auf eine Polio-Erkrankung? 

Hat der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin den klinischen Verdacht auf eine Polio-Erkrankung, wird dieser labordiagnostisch am Nationalen Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren geprüft. Der virologische und molekulare Nachweis der Erreger kann gut aus Stuhlproben erfolgen, ist aber auch aus Rachenabstrichen oder Gehirnwasser (Liquor) möglich.

Wie kann die Poliomyelitis behandelt werden? 

Aktuell gibt es keine Möglichkeit, die Poliomyelitis zu heilen. Allerdings kann die Impfung gegen Polio den Folgen einer Polio-Infektion vorbeugen. Für eine vollständige Impfung sind mehrere Teilimpfungen nötig.  

Wie wird gegen Poliomyelitis geimpft? 

Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Kinderlähmung für alle Säuglinge, Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Häufig wird für die Grundimmunisierung ein Kombinationsimpfstoff verwendet, der zusätzlich zu Kinderlähmung auch gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Hepatitis B, und Haemophilus influenzae Typ B gerichtet ist. 

Für die Grundimmunisierung im Säuglingsalter sind 3 Impfungen nötig: 

  • Die 1. Impfung findet im Alter von 2 Monaten statt. Die Früherkennungsuntersuchung U4 ist hierfür eine gute Gelegenheit.
  • Die 2. Impfung bekommen Säuglinge im Alter von 4 Monaten.
  • Im Abstand von mindestens 6 Monaten erfolgt die 3. Impfung im Alter von 11 Monaten. Es bietet sich an, den Termin für diese Impfung mit der Früherkennungsuntersuchung U6 zu verbinden. 
  • Frühgeborene Säuglinge bekommen insgesamt 4 Impfungen im Alter von 2, 3, 4 und 11 Monaten.

Jugendlichen wird zudem eine Auffrischung der Impfung im Alter von 9 bis 16 Jahren empfohlen. Weitere routinemäßige Auffrischungen sind für Erwachsene in Deutschland nicht empfohlen. Allerdings werden fehlende Impfungen der Grundimmunisierung bzw. eine fehlende Auffrischimpfung nachgeholt.

Die Bedeutung der Impfquote

Es ist von großer Wichtigkeit, dass eine Impfquote von > 95 % erreicht wird, um eine Ausbreitung des Virus und damit auch größere Ausbrüche zu verhindern. Das wird dadurch verdeutlicht, dass mutierte Impfviren nun auch wieder in Ländern vorkommen, in denen Kinderlähmung bereits seit Jahrzehnten als ausgerottet galt. Dies ist in letzter Zeit in London, New York und Jerusalem der Fall gewesen, wo mutierte Impfviren im Abwasser nachgewiesen wurden.

Im Bundesstaat New York wurden bei einem Patienten mit schlaffen Lähmungserscheinungen diese Impfviren als Auslöser identifiziert.

Was ist bei Reisen zu beachten? 

Planen Sie eine Reise in eine Region mit einem erhöhten Infektionsrisiko durch Polio-Wildviren oder mutierte Impfviren, ist Folgendes zu beachten: 

  • Sofern ein Aufenthalt von mehr als 4 Wochen in bestimmten Ländern geplant ist, gelten von Seiten der WHO verschärfte Empfehlungen.
  • Fehlende oder nicht-dokumentierte Polio-Impfungen sollen nachgeholt werden.
  • Liegt kein Nachweis für eine Grundimmunisierung vor, z. B. der Impfpass, so empfiehlt die STIKO vor Reisebeginn mindestens 2 Polio-Impfungen im Abstand von 4 Wochen.

Diese Empfehlungen gelten auch bei der Einreise aus Gebieten mit Infektionsrisiko für Aussiedler:innen, Geflüchtete und Asylsuchende, die in Gemeinschaftsunterkünften leben.

Das sollten Berufstätige beachten

Sie sind als medizinisches Personal mit engem Kontakt zu Erkrankten tätig, arbeiten in Gemeinschaftseinrichtungen oder im Labor mit Infektionsrisiko? Dann empfiehlt die STIKO, dass fehlende Impfungen der Grundimmunisierung nachgeholt werden sollen, sofern ein Polio-Infektionsrisiko besteht. Bei anhaltender Exposition sollte alle 10 Jahre eine Auffrischung Ihres Impfschutzes erfolgen.

Schluckimpfung oder Spritze – welcher Impfstoff wird verwendet?

Seit 1998 erfolgt die Polio-Impfung in Deutschland nur noch mit Impfstoffen auf Basis abgetöteter Polioviren (Totimpfstoff; Gabe per Spritze), die die Erkrankung selbst nicht auslösen können. Zuvor gab es vereinzelt Berichte über Fälle von Poliomyelitis nach Verwendung des Polio-Lebendimpfstoffs, der zur Schluckimpfung eingesetzt wurde. Letztere wird heute in Deutschland nicht mehr durchgeführt. Die Impfung gegen Polio erfolgt hierzulande nur noch als Spritze.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Polio-Impfung

Ein Bild von einem Impfkalender.

Impfkalender 

Wann sollten Sie sich gegen welche Infektionskrankheit impfen lassen? Antworten darauf finden Sie hier* im praktischen Impfkalender des Robert Koch-Instituts. 

*Die hier zur Verfügung gestellten aktuellen Meldungen verweisen auf unabhängige Informationsquellen und stellen nicht notwendigerweise die Meinung von MSD dar.

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