40 Jahre HIV
Von einer tödlichen Erkrankung zu einer chronischen Krankheit mit normaler Lebenserwartung
Dieses Jubiläum ist Freude über den Therapie-Durchbruch und schmerzende Erinnerung zugleich: In den 1980er Jahren bedeutete eine HIV-Diagnose meist das Ende aller Hoffnungen. Es gingen Bilder um die Welt, die immer schwächer werdende Menschen zeigten; Familien und Freundeskreise betrauerten die vielen, oftmals jungen Aids-Toten. Es war schlimm, genau wie das Stigma der Erkrankung: Die damals noch unerforschte und unheilbare Virusinfektion wurde zunächst ganz offiziell als „Schwulenseuche“ diffamiert, weil die ersten betroffenen Patienten homosexuelle Männer waren. Die Epidemie breitete sich allerdings schnell aus, sodass klar wurde, dass HIV auch Menschen unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Herkunft betreffen kann. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich seit Beginn der Epidemie weltweit bis zu 88 Millionen Personen mit HIV infiziert. Bis zu 42 Millionen sind weltweit an Aids gestorben.
Heute, vier Jahrzehnte später, hat sich dank intensiver Forschung und moderner, individueller Therapien vieles verändert: HIV gilt nicht mehr als Todesurteil, sondern Menschen mit HIV haben heute bei rechtzeitiger und erfolgreicher Behandlung eine normale Lebenserwartung und können leben, lieben und arbeiten wie alle anderen Menschen auch. Die Behandlungsmöglichkeiten sind heute vielfältig und werden an die Bedürfnisse jeder einzelnen Person angepasst. Bei Unverträglichkeiten oder starken Nebenwirkungen ist es sehr wichtig, das Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin zu suchen. Denn die Therapie kann durchaus entsprechend angepasst werden.
Sprechen ist hier das Stichwort, denn ein offener Umgang hilft generell enorm im Kampf gegen HIV. Trotz aller Fortschritte ist das soziale Stigma, das mit einer HIV-Infektion verbunden ist, nach wie vor ein Problem. Auch heute noch erleben Menschen mit HIV Diskriminierung im privaten, beruflichen und sozialen Umfeld. Warum? Hier spielen Unwissenheit, Historie und Moralvorstellungen eine große Rolle, da die Erkrankung mit ungeschütztem Sex oder intravenösem Drogenkonsum assoziiert wird. Die Entstigmatisierung von HIV muss auf die Agenda gesetzt werden! Es ist entscheidend, dass wir weiterhin Aufklärungsarbeit leisten und das Bewusstsein dafür schärfen, dass HIV unter erfolgreicher Therapie nicht mehr übertragbar ist und Menschen mit HIV ein erfülltes und gesundes Leben führen können.
Für was steht HIV eigentlich?
Das „Human Immunodeficiency Virus“ (menschliches Immunschwäche-Virus) gehört zur Familie der Retroviren und schwächt das Immunsystem, indem es wichtige Immunzellen (T-Helferzellen) außer Gefecht setzt. Nach der Übertragung dringt das Virus in die Zellen ein und bewirkt, dass diese weitere HI-Viren produzieren und ihrer ursprünglichen Aufgabe nicht mehr nachkommen. Eigentlich haben die T-Helferzellen nämlich unter anderem die Funktion, andere Zellen des Immunsystems bei der Abwehr von Krankheitserregern zu steuern. Diese wichtigen Abwehrfunktionen der T-Zellen werden durch die HIV-Funktion gestört und können nur durch eine erfolgreiche HIV-Therapie teilweise wiederhergestellt werden. Dafür ist es notwendig, sich auf HIV testen (wird von Gesundheitsämtern, Checkpoints, Aidshilfen und Laboren – teils anonym und kostenlos – angeboten) und rechtzeitig spezifisch behandeln zu lassen.
Lange Zeit haben sich die Mythen über Übertragungswege hartnäckig gehalten. Fakt ist: HIV wird am häufigsten übertragen durch ungeschützten Sex mit einem Partner oder einer Partnerin, der oder die das Virus in sich trägt. Auch der Drogenkonsum durch gemeinsames Benutzen von Spritzen und Nadeln birgt ein hohes Ansteckungsrisiko. Außerdem kann eine Mutter HIV auf das Kind übertragen – während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder auch beim Stillen, wenn die Mutter keine HIV-Medikamente einnimmt. Falsch ist die Annahme, dass HIV über Speichel, Schweiß, Tränenflüssigkeit oder durch Tröpfcheninfektion übertragen wird, da hier die HIV-Menge für eine Ansteckung zu gering ist.
Aids – vier Schreckensbuchstaben
Wann wird aus HIV Aids? Die Krankheit, die durch eine unbehandelte HIV-Infektion entstehen kann, heißt AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome, also erworbenes Immunschwäche-Syndrom). AIDS tritt auf, wenn das Immunsystem durch HIV so stark geschädigt wurde, dass der Körper anfällig für infektiöse Krankheiten und bestimmte Krebsarten wird. Ein frühes Erkennen der Infektion und ein rascher Therapiebeginn sind entscheidend, um das Fortschreiten von HIV zu AIDS zu verhindern.
Die größte medizinische Errungenschaft im Umgang mit HIV ist die Entwicklung der antiretroviralen Therapie (ART). Diese Behandlungsform unterdrückt die Vermehrung des Virus im Körper mit dem Ziel, dass die Viruslast im Blut auf ein kaum nachweisbares Niveau sinkt. ART besteht aus einer Kombination von Medikamenten aus unterschiedlichen Substanzklassen, die in der Regel täglich und lebenslang eingenommen werden müssen. Ein Medikament allein würde nicht ausreichen, denn bei der Vermehrung von HIV entstehen aufgrund der hohen Mutationsrate viele verschiedene Varianten des Virus. Darunter befinden sich immer einige, die gegen eines oder mehrere Medikamente einer Substanzklasse resistent sind.
„n = n“ ist ein Meilenstein in der HIV-Forschung
Diese Therapieform hat nicht nur das Leben von Millionen Menschen gerettet, sondern auch die Ausbreitung des Virus erheblich reduziert. Laut Robert Koch- Institut lebten 2023 in Deutschland 96.700 Menschen mit HIV und ca. 2.200 Menschen hatten sich neu mit HIV infiziert. 99% der Menschen mit einer HIV-Diagnose nehmen Medikamente und von ihnen gelten ebenfalls etwa 96 % als erfolgreich therapiert. Ein Meilenstein ist die folgende Gleichung: „n = n“ – nicht nachweisbar = nicht übertragbar. Ein Therapieerfolg wird erreicht, wenn die Viruslast im Blut unter die Nachweisgrenze von 50 Viren/ml Blut sinkt. Ab diesem Punkt gilt HIV nicht mehr als infektiös. Das bedeutet: Menschen mit HIV, die unter der Nachweisgrenze bleiben, können das Virus nicht mehr auf andere übertragen.
Ein normales Leben dank individueller Therapieansätze
Ein entscheidender Punkt in der HIV-Behandlung ist, dass sie individuell an die Bedürfnisse der Patient:innen angepasst werden kann. Universelle Lösungen gibt es nicht, denn jeder Körper reagiert anders – und das gilt auch für die Nebenwirkungen: Obwohl ART viele Leben gerettet und selbstbestimmt gestaltet hat, ist die Therapie nicht frei von Nebenwirkungen. So kann es unter anderem auch zu einer Gewichtszunahme, Schlafstörungen und Veränderungen der Cholesterinwerte kommen. Diese Folgen können belastend sein und die Psyche und Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen. Wichtig ist in jedem Fall, dass die HIV-Therapie nicht aufgrund der Nebenwirkungen eigenmächtig verändert oder gar abgesetzt wird. Jede Veränderung im körperlichen Befinden darf ernst genommen werden. Es ist wichtig, mögliche Veränderungen durch Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und freiverkäuflichen Präparaten wie z. B. Johanniskraut mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zu besprechen und gegebenenfalls Anpassungen der Medikation zu erwägen, um die eigenen Bedürfnisse zu berücksichtigen.
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